Design und Dekor dänisches bettenlager tische und stühle
Die Holzquadrate schweben – denkt zumindest der Betrachter.
Jessica Banks sieht besser als die meisten Menschen. Das bringt sie auf Ideen für Möbel, die auf den ersten Blick irritieren. In ihnen steckt moderne Technik.
Von Hakan Tanriverdi, New York
Jessica Banks hat ein gutes Auge für Design. Als Jugendliche war sie zwei Wochen lang blind, bis heute ist die genaue Ursache unklar. Aber seitdem sie wieder sehen kann, sieht sie besser als die meisten Menschen. “Meine Augen heilten so, dass ich nun auch die Randbereiche scharf sehen kann”, sagt sie. Doch dadurch entstehen optische Täuschungen. Ein falscher Schattenwurf, ineinander fallende Gegenstände. “Mein Gehirn braucht eine Sekunde, bis es den Fehler erkennt.”
So wie die Gehirne derer, die Banks’ Möbel betrachten. Da ist zum Beispiel der Tisch, der aus 27 Holzquadraten besteht. 18 davon schweben frei in der Luft. Die Holzteile sind magnetisiert, sie stoßen sich ab. Auf den zweiten Blick sieht man dünne Stahlseile, die alles zusammenhalten. Wer die Holzstücke anstupst, sieht sie wackeln, hört sie klackern (zu sehen in diesem Video).
Banks ist die Chefin der Firma Rock Paper Robot (RPR), ein Start-up mit einer Handvoll Mitarbeiter. Die Büroräume liegen gut versteckt auf dem Gelände einer alten Schiffswerft in New Yorker Stadtteil Brooklyn. Hier werden kinetische Gegenstände hergestellt: Möbelstücke, die sich bewegen, ja scheinbar Wände hochklettern können: Was auf den ersten Blick wie eine Skulptur an der Mauer aussieht, lässt sich beliebig weit in den Raum hineinziehen – und wird zum Tisch.
Von der Art, wie Wasser fließt, bis hin zum Wachstum von Pflanzen, Banks kann sich für so gut wie jedes Naturphänomen begeistern. “Dass unsere Schatten von einem Stern geworfen werden, ist einfach cool”, sagt sie, und wiederholt: “Ein Stern!” Sie hat Robotik studiert und sich entschlossen, Gegenstände zu bauen, die nicht auf dem Mars landen, sondern in Wohnzimmern. “Ich wollte Physik auf elegante Weise in diese Objekte packen”, sagt Banks.
Die eingangs erwähnten Wackel-Holztische sind Einzel-Exemplare, per Hand gefertigt. Der Preis liegt bei 10 000 US-Dollar – der Kreis künftiger Besitzer dürfte überschaubar bleiben. Doch dank dieser Vorarbeit ist Banks nun in der Lage, kostengünstigere Möbel für den Massenmarkt herzustellen wie den Klettertisch. Alltagstaugliche Tische und Stühle müssen besonders intensiv getestet werden, da sie nicht nur Kunstobjekte sind, sondern auch regelmäßig benutzt werden. Dann spielt es sogar eine Rolle, wie sich die Tische verhalten, wenn ihre Besitzer die Möbel für Zwecke einsetzen, für die “sie eigentlich nicht gedacht sind”, wie Banks es formuliert. Zum Beispiel ein Nickerchen.
Wenn Banks über die Zukunft redet, dann auch über das so genannte Internet der Dinge und smarte Häuser, die mitdenken. Den Begriff selbst lehnt sie ab, aber für Möbeldesigner eröffnen sich dadurch ganz neue Themen.
Wenn es schon möglich sei, einen intelligenten Thermostat herzustellen, den Menschen überhaupt nicht mehr sehen oder steuern müssen, dann ist für Banks auch im Hinblick auf Möbel eine ganze Menge vorstellbar. Ihr schweben bewegliche Tische vor, die Menschen dazu bringen, kontinuierlich das Gewicht zu verlagern – und damit Krankheiten vorzubeugen, die durch ungesunde Körperhaltungen und durch zu wenig Bewegung am Arbeitsplatz entstehen. Es sei auch denkbar, Sensoren in die Tische einzubauen, mit denen sich die Blutwerte messen lassen. “Es geht darum, was die Objekte, die uns umgeben, zu welchem Zeitpunkt tun. Stühle, die Temperatur, die Belichtung, das Bett, man kann alles verbessern”, sagt Banks, deshalb verschlinge sie gerade viele Bücher zum Thema Ergonomie.
Banks nennt diese Beispiele im Konjunktiv, da die Firma noch in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung steckt. Zur Zeit fokussiert man sich auf den Tisch an der Wand und die dazu passenden Stühle. Wenn alles klappt, sollen sie nächstes Jahr verkauft werden. Dann wird sich zeigen, ob ihre Möbel zu komplex für die Menschen sein können.
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